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„Wir müssen die digitale Aufholjagd fortsetzen“

Mann im Anzug, Pflanzen im Hintergrund

Gottfried Ludewig, Chef der Gesundheitssparte bei T-Systems.

Wie eine digitale Zukunft des Gesundheitswesens aussieht, die diesen Namen wirklich verdient und welche Rolle dort digitale Identitäten, künstliche Intelligenz und das Metaverse spielen, weiß Gottfried Ludewig, Chef der Gesundheitssparte beim DMEA-Goldpartner T-Systems.

Die DMEA 2023 steht vor der Tür. Warum braucht ein Digitalkonzern eine Präsenzmesse?

Gottfried Ludewig: Bei allen guten digitalen Formaten bleibt der persönliche Austausch wichtig. Es ist etwas anderes, ob ich über Video-Fenster kommuniziere oder Menschen physisch gegenüberstehe. Das haben wir gerade erst beim Mobile World Congress in Barcelona gesehen, und das wird bei der DMEA ähnlich sein. Die Vorfreude ist groß, wir erwarten spannende Gespräche mit Kundinnen und Kunden, mit potenzieller Neukundschaft, aber auch mit Partnerunternehmen und Politik. Ich erwarte, dass es voll wird und lebendig.

Das digitale Krankenhaus ist das große Thema jeder DMEA, auch gesundheitspolitisch führt an Krankenhäusern derzeit kein Weg vorbei. Wie hat sich das Krankenhausgeschäft der Telekom entwickelt? Und was erwarten Sie sich von der anstehenden Krankenhausreform?

Gottfried Ludewig: Wir wachsen kontinuierlich mit unserem Krankenhausinformationssystem (KIS) iMedOne. Wir spüren im Klinikmarkt darüber hinaus eine wachsende Nachfrage nach innovativen digitalen Lösungen aller Art. Technisch bleibt die Interoperabilität eine Herausforderung. Wir haben eines der offensten und interoperabelsten KIS-Systeme im Markt. Wir sehen bei dem Thema auch in Folge von Gesetzen wie dem Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) durchaus Fortschritte, würden uns aber schon noch etwas mehr wünschen. Es sollte jetzt darum gehen, die durch das KHZG und die Pandemie initiierte, digitale Aufholjagd im Krankenhaussektor fortzusetzen. Dabei kann auch die Krankenhausreform eine Rolle spielen. Bisher spielt das Thema Digitalisierung dort aber leider noch keine Rolle.

Die Krankenhäuser sind, Sie haben es erwähnt, vielleicht noch nicht auf der digitalen Überholspur, aber doch auf dem Beschleunigungsstreifen. Die Telematikinfrastruktur ist dagegen eher noch im Anfahren begriffen. Wie kriegen wir auch da endlich PS auf die Straße?

Gottfried Ludewig: Wir sind auch da vorangekommen. Dass die neue Telematikinfrastruktur (TI) auf digitale Identitäten setzt, ist ein Riesenschritt nach vorn. Dadurch werden viele TI-Anwendungen vereinfacht, und es werden spannende neue Anwendungen wie etwa der TI-Messenger denkbar, der die Kommunikation zwischen medizinischen Einrichtungen und Patientinnen und Patienten enorm voranbringen wird. Den hat die Bundesregierung in ihrer Digitalstrategie auch prominent erwähnt. Wichtig ist, dass die Regulatoren lebensnahe Login-Verfahren ermöglichen und dauerhaft festschreiben. Nur dann wird auch die viel zitierte Opt-out-ePA, die neue Generation elektronischer Patientenakten, ein Erfolg. Opt-out alleine reicht nicht, wenn schon die Registrierung und später die Nutzung so umständlich ist, dass es keiner macht.

Die digitalen Identitäten sollen im Gesundheitswesen von den Krankenkassen ausgegeben werden. Warum sind diese Identitäten so entscheidend? Und wann kommen sie?

Gottfried Ludewig: Stand heute haben wir im digitalen Gesundheitswesen überall da, wo es wirklich darauf ankommt, Medienbrüche. Menschen müssen in Geschäftsstellen laufen, Anträge müssen ausgedruckt werden, Karten müssen an Mobiltelefone gehalten werden oder es müssen gefühlt 17-stellige PINs eingegeben werden. Sichere digitale Identitäten helfen dabei, diesen Zustand zu überwinden. Wenn wir wollen, dass sich digitale Prozesse durchsetzen, sind sie ein wesentlicher Faktor. Ein genaues Datum zur Einführung kann ich Ihnen nicht nennen. Die Spezifikation der gematik aber liegt jetzt vor. Wir entwickeln aktuell für erste Krankenkassen entsprechende ID-Lösungen und sind zuversichtlich, dass das Thema schnellstmöglich zum Fliegen kommt.

Kleiner Ausflug zur DMEA in fünf Jahren: KIS aus der Cloud, KI-Chatbots als erste Anlaufstelle für Patientinnen und Patienten, Medizin im Metaverse – ist das die Zukunft?

Gottfried Ludewig: Wir werden immer mehr Anwendungen aus der Cloud sehen. Das Entscheidende ist aber, dass wir die Cloud nutzen, um medizinische Herausforderungen zu adressieren. Das ist für mich der Megatrend. Dafür braucht es nicht nur Anwendungen, sondern auch interoperable Datenräume, in denen Patientendaten sicher zugänglich gemacht. Das ist im Gesundheitswesen nicht anders als in der produzierenden Industrie. Als Telekom sind wir hier führend, unter anderem in Konsortien wie zum Beispiel Catena-X, bei dem wir die Autoindustrie unterstützen, Datenräume zu etablieren und Use-Cases umzusetzen. Diese Erfahrungen und Kenntnisse bringen wir gerne auch im Gesundheitswesen ein. Erst mit leistungsfähigen Datenräumen werden die Themen Cloud und KI wirklich spannend.

Wie stellt sich die Telekom für diese Zukunft auf?

Gottfried Ludewig: Wir sind direkt oder über Partner an einer Vielzahl hoch innovativer Projekte beteiligt. Wir arbeiten zum Beispiel mit Krankenversicherungen an KI-basierten Anwendungen, die darauf abzielen, Pflegebedürftigkeit zu verhindern, indem bestimmte Risikokonstellationen früh erkannt werden. In einem anderen Projekt, das wir begleiten, setzen Krankenhäuser KI-Anwendungen ein, um Menschen mit einem hohen Risiko für Blutvergiftung früh zu erkennen. Prävention, der ganze fundamentale Wandel weg von der Krankenbehandlung hin zur Gesundheitserhaltung, schreit förmlich nach KI. Und was das Thema Metaverse angeht: Das kann zum Beispiel bei der medizinischen Weiterbildung sehr interessant sein. Auch hier sind wir mit Partnern in einem spannenden Kooperationsprojekt. Wir freuen uns darauf, diese Zukunft mitzugestalten und zu zeigen, wie stark Digitalisierung eine bessere Gesundheitsversorgung unterstützen kann.