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Dokumentieren Sie noch, oder verstehen Sie schon?

Ein Andre 'Sander im Anzug blickt in die Kamera.

Dr. André Sander, Leiter technische Entwicklung bei dem Unternehmen ID (Foto: ID GmbH)

Ob Medikamente, Laborwerte, Diagnosen oder therapeutische Maßnahmen: Nur was bekannt und auswertbar ist, hilft weiter. Wie Wissen um Diagnosen oder um Medikation aus der digitalen medizinischen Dokumentation und dort nicht zuletzt aus Freitextfeldern erschlossen und sinnvoll genutzt werden kann, weiß Dr. André Sander, Leiter technische Entwicklung bei dem Unternehmen ID. Die Berliner beschäftigen sich seit vielen Jahren mit medizinischer Dokumentation und der klugen Nutzung komplexer Terminologien – ein Themenfeld, das immer wichtiger wird.

Medizinische Terminologien waren lange Zeit ein trockenes Spezialgebiet. Mittlerweile wird immer häufiger darüber geredet, auch von der Politik. Wird Ihr Lieblingsthema so langsam Primetime-fähig?

Die Politik will die gematik zur Digitalisierungsbehörde des deutschen Gesundheitswesens ausbauen, das hat sie ja aktuell mit der Digitalstrategie nochmal bekräftigt. In diesem Zusammenhang hat das Bemühen um Interoperabilität, also um medizinische IT-Systeme, die miteinander kommunizieren können, in Deutschland eine Gremienstruktur bekommen. Ich bin für unseren Verband, den BVITG, in dem dazugehörigen Expertengremium und dort speziell mit Terminologieservern befasst. Als Unternehmen ID haben wir für dieses Thema seit rund 15 Jahren lobbyiert. Insofern macht es uns schon ein bisschen stolz, dass es jetzt so viel Resonanz bekommt. Irgendjemand sagte neulich, dass Terminologieserver so wichtig werden wie Kommunikationsserver. Ob das so ist, weiß ich nicht, aber wir werden unseren Terminologieserver bei der DMEA auf jeden Fall nochmal ausführlich vorstellen.

Was kann, was leistet ein Terminologieserver in einem digitalen Gesundheitswesen?

Er hilft bei der Standardisierung. Er hilft dabei, dass sich IT-Systemen nicht nur technisch, sondern auch inhaltlich verstehen. Jedes Krankenhaus findet einen Weg, wie sich die inneren Betriebsabläufe gestalten und optimieren lassen. Aber das reicht heute nicht mehr. Krankenhäuser müssen sich an diverse Rahmenbedingungen halten, etwa medizinische Register befüllen, und dazu müssen sie den Bogen von internen, nicht-standardisierten zu externen, standardisierten Abläufen schlagen. Das ist eine der Paradedisziplinen von Terminologieservern. Das zweite, was den Terminologieserver von ID besonders auszeichnet, ist das Strukturieren komplett unstrukturierter Daten. Es gibt weiterhin viel Freitext in der Medizin, und es wird ihn immer geben, in Befunden, Epikrisen, OP-Berichten, auch in der Pflegedokumentation. Mit einem Terminologieserver können daraus wichtige Fakten über den Patienten extrahiert werden. Das sind Daten, die für die Abrechnung verwendet werden können, aber auch solche, die für die Forschung interessant sind.

Können sich Besucher das bei der DMEA auch ansehen?

Klar. Was wir konkret zeigen, ist unser Produkt DaWiMed, das steht für „Daten, Wissen, Medizin“. Das ist dazu gedacht, unterschiedliche Berufsgruppen gezielt zu unterstützen, zum Beispiel Krankenhaushygiene, Controlling, Qualitätssicherung und andere. Diese Berufsgruppen können mit DaWiMed in Freitexten gezielt recherchieren, nach bestimmten Symptomen beispielsweise. Ein anderer Bereich, bei dem Terminologieserver unterstützen können, ist die sektorenübergreifende Versorgung. Die Politik will die Krankenhäuser im Rahmen der Krankenhausreform stärker für die ambulante Versorgung öffnen. Das bedeutet aber auch, dass sie ambulant codieren müssen, was deutlich anders funktioniert als in der vergleichsweise hoch strukturierten, stationären Welt. Terminologieserver stellen Methoden und Werkzeuge zur Verfügung, um dieses Nebeneinander von zwei Abrechnungsmodellen zu unterstützen. Das ist auch nötig: Die ICD-10 hatte noch rund 16.000 Codes, die ICD-11 wird über 80.000 haben. Die Zeiten der manuellen Codierung sind damit vorbei.

Ein großes digitalpolitisches Thema seit Veröffentlichung der Digitalstrategie ist die elektronische Patientenakte (ePA), die „Opt-out-ePA“. Haben Terminologieserver hierfür auch Bedeutung?

Eine spannende Frage bei der ePA ist, wie die Altdaten der Patienten dort hineinkommen. Denn die müssen da ja irgendwie rein, wenn es Sinn machen soll, und viele alte Daten liegen allenfalls als PDF-Dokumente vor. Mit Hilfe eines Terminologieservers könnten sich aus diesen Freitextdokumenten jene strukturierten Informationen extrahieren lassen, die für die ePA nötig sind. Das ist schon eine gewisse Herausforderung, es wird auch nicht völlig fehlerfrei gehen, aber dennoch ist das spannend, weil der Bedarf groß sein wird. Es wäre auch ein Bereich, wo wir als hoch spezialisiertes Unternehmen Business-to-Consumer-Dienstleistungen anbieten könnten, was wir bisher nicht tun.

Ihr Unternehmen kann mehr als Terminologieserver. Gibt es weitere Schwerpunkte bei der DMEA?

Ein zweites Thema, das wir etwas stärker hervorheben wollen, ist die elektronische Medikation. Auch das ist ein Thema, das uns schon viele Jahre beschäftigt und das aktuell, vor allem durch die Förderung des Krankenhauszukunftsgesetzes (KHZG), spürbar Fahrt aufgenommen hat. In dem Punkt hat das KHZG die Digitalisierung und die Patientenversorgung wirklich vorangebracht. Als Unternehmen ID haben wir nicht nur eine Medikationslösung, sondern mit ID EFIX® seit Langem auch eine Controlling-Lösung im Angebot. Und die haben wir jetzt so erweitert, dass sie mit Medikationsdaten umgehen kann. Das ist wirklich spektakulär.

Wie sehen die konkreten Einsatzszenarien aus?

Ein Krankenhaus kann mit ID EFIX® Pharma tagesaktuell – natürlich auch retrospektiv – die Medikationsdaten und Medikationskosten der kompletten Klinik auswerten. Es kann simulieren, wie sich bestimmte Medikamentensubstitutionen finanziell auswirken. Es gibt aber auch viele klinische Einsatzszenarien: Es können Antibiotika-Dashboards im Rahmen von Stewartship-Programmen angelegt werden. Es kann klinikweit nach Kontraindikationen, Wechselwirkungen oder Dosisüberschreitungen bei schlechter Nierenfunktion gescreent werden. Es können unterschiedliche klinische Bereiche hinsichtlich Medikationsverhalten verglichen werden. Man sieht daran, dass es bei solchen Wissens-Tools nicht nur um Abrechnung geht. Es werden Analysen möglich, die die Patientensicherheit relevant verbessern können. Ich persönlich würde mich heute, wenn irgend möglich, nicht mehr in ein Krankenhaus einweisen lassen, das keine elektronische Medikation nutzt.

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